Poarga românească

Poarga românească 2022

Für das kommenden Jahr planen wir ein Projekt, das sich geografisch und stilistisch als logische Weiterentwicklung unserer Arbeit in 2020 erweist. Mit der damaligen Zuwendung an wienerisch-ungarische Musiken näherten wir uns dem südöstlichen Bereich europäischer Kultur. Nun möchten wir einen Schritt weiter gehen und reisen klanglich (und wenn Corona es zulässt auch als tatsächlich Reisende) nach Rumänien, wo wir ein kulturelles Umfeld ahnen, das als Nahtstelle zwischen Okzident und Orient dasteht.

Die musikalische Tradition ist von der Ungarns nur wenig zu trennen, was Menschen singen, spielen und tanzen schert sich oft wenig um Grenzen. Diese Verbindung ist am offensichtlichsten an der Arbeit Bela Bartoks nachzuvollziehen, der im Rahmen seiner Forschungstätigkeit als transkribierender ›Melodiensammler‹ und der daraus resultierenden eigenen kompositorischen Arbeit, melodische und rhythmische Strukturen beider Länder nutzte. Sein Wirken hat die Musik Südosteuropas in die Kunstmusik gebracht und gern nehmen wir den Titel des fünften, seiner rumänischen Volkstänze als Motto für den Jazzpool ’22: Poarga românească (rumänische Polka).  

Rumäniens traditionelle Musik ist sehr durchlässig gewesen für Stilistiken benachbarter Kulturen- Türkei, Bulgarien und vor allem der Roma. Wenn wir gerade den immensen Einfluss der Roma als etwas für uns Jazzmusiker besonders wichtiges erachten, offenbart sich darin keine Sozialromantik, aber ein Bewusstsein dafür, dass der inzwischen stark institutionalisierte, also auch etablierte Jazz in seinen Anfängen nur möglich war als künstlerisches Elaborat eines ökonomisch nicht teilhabenden und politisch vollständig ausgegrenzten Teils der Bevölkerung. Die Qualität des Jazz wird mittlerweile überall an Hochschulen gelehrt, zwischendurch sei darauf hingewiesen, dass der Kern dieser Qualität nicht aus dem Salon, sondern von der Straße kommt. Und mit dem Projekt Poarga românească nähern wir uns einer europäischen Kultur, die auch nicht von der sunny side of the street kommt.

Konkret musikalisches Interesse finden wir z.B. in der Doina, ein Soloimprovisation, tonal von modaler Prägung, nicht in periodischer Rhythmik, eher rubato vorgetragen und immer einem folgenden tänzerischen, gewissermaßen ›konkreteren‹ Stück vorangestellt. Die stark lyrischen Doinas gehen im Bereich der Tonbildung sehr weit, der emotionale Disposition der Vortragenden werden keine Grenzen gesetzt, sondern die aktuelle Gemütslage bestimmt, was ästhetisch passt. Das kann sowohl in der Instrumental-, wie vor allem auch der Vokalmusik weit in den Geräuschbereich gehen. Das gerade beschriebene klingt wie ein Pendant zur undogmatisch individuellen Klangvorstellung im Jazz. Natürlich gibt es als Kontrapunkt zu diesen elegischen, oft auch melancholischen Gesängen eine große Zahl bewegter bis wilder Tänze, die oft einen Teil ihrer Energie aus dem steten Wechsel von 2er und 3er Rhythmen ziehen.

Das und mehr wollen wir für Jazzensemble bearbeiten. Ebenso wichtig ist aber, dass die Beschäftigung mit der rumänischen Tradition uns zur Kreation eigener, neuer Stücke inspiriert. Für die sichere Beratung begleiten uns zwei rumänische Kollegen: der seit langem in Köln lebende Saxophonist Nicolas Simion und der in Bukarest lebende Gitarrist Sorin Romanescu.