Heimatlieder 2007
Mit dem Herbstprojekt 2007 begibt sich der Jazzpool NRW in ein klangliches Kuriositätenkabinett. Es gibt ein riesiges Reservoire an Musiken, die nahezu jeden Mitbürger erreicht haben. Ihre Präsenz in Funk und Fernsehen, im Kino, in Kindergarten und Schule, im Gottesdienst, im Kaufhaus, wie im Konzertsaal war so vehement, dass ein Entrinnen gar nicht möglich war.
Die Trailermelodien von Bonanza, Raumschiff Orion und James Bond, Charpentiers „Te Deum“ als Beginn einer Eurosvisionsübertragung, die multifunktionale Bedeutung sowohl der Haydn, wie der Eissler Hymnen, „Marmorstein und Eisen bricht“ und „Der Mond ist aufgegangen“ haben die Geschichte der Republik(-en) ständig begleitet. Max Webers große soziologische Erkenntnis, dass es kein unpolitisches Statement gibt, wird in der Musik allemal wahr. Wer kann mehr über den Zustand der Gesellschaft verraten, als „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ oder „99 Luftballons“? Musiken, die auf verschiedenen Wegen zu Alltagsmelodien geworden sind, werden zu einem sehr direkten zeitgeschichtlichen Dokument, das sehr viel über Geschmack, Ideologie und Befindlichkeit aussagt.
Warum dies als Kernprogramm für ein Ensemble zeitgenössischer Jazzmusiker? Die sogenannte Emanzipation des europäischen Jazz begann in den 60er Jahren mit der Entwicklung eines besonders radikalen Free Jazz- Zentren waten die Städte Wuppertal und Berlin. Die damalige Negation aller (jazz-)musikalischen Normen entsprach ganz logisch dem Bewusstsein der intellektuellen Straße und lässt sich am besten mit dem Motto „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ erklären. Mit dem Entstehen einer sehr eigenen Jazzkultur in Skandinavien und Südeuropa, Szenen die sich deutlich an ihren volksmusikalischen Wurzeln orientierten, wuchs eine Generation heran, die es schaffte, bei aller europäischen Eigenständigkeit, kommerziell sogar noch sehr erfolgreich zu sein. Nichts ist bekanntlich erfolgreicher, als der Erfolg und folgerichtig mehren sich in der Bundesrepublik CDs und Konzertprogramme von Musikern, die sich verstärkt mit deutschen Traditionen beschäftigen. Dabei kommt es leider häufig zu argen Fehltritten, wenn etwa ein UFA Schlager zum Jazzstandard wird, da sich die Melodik so gut dazu eignet… Klar tut sie das, jeder weiß, dass Goebbels ein quasi professioneller Filmfanatiker war und wusste, was funktioniert!
Die Prämisse für unser Programm soll sein, nicht romantisch gefülsseelig, sondern kritisch augenzwinkernd mit dem musikalischen Erbe umzugehen. Das Ergebnis soll dabei keineswegs unsinnlich klingen, aber Skurrilität und Ironie sind auch ein guter ästhetischer Boden.