Hip*pster – The music of Jutta Hipp 2024
Als Oberthema für unsere Pläne ’24 lässt sich der Begriff ’Herkunft’ nennen. Das zu jeder Kunstgattung eine geografische und soziale Ortung gehört, ist aktuell ein viel diskutiertes Thema im kulturpolitischen Diskurs. Den Jazz als primär amerikanische Kunstform zu sehen ist seit Mitte der 1960er Jahren obsolet. Die europäische Sicht des Free Jazz, bzw. der Improvisierten Musik waren so radikal anders, dass der eigene europäische Weg damit manifestiert wurde.
Aber wie sah es in der Zeit davor aus? Wie orientierten sich europäische Künstler*innen vor Peter Brötzmann, Irene Schweizer und Evan Parker? Einige wagten den Schritt, es selber in den USA zu versuchen. Joe Zawinul, Dave Holland und John McLaughlin schafften damit einen eine lebenslang erfolgreiche Karriere. Noch früher, in den 1950er Jahren war das schwieriger, ganz grundsätzlich und für Frauen extrem schwierig. Wir möchten uns mit der Pianistin und Komponistin Jutta Hipp beschäftigen, eine hochbegabte und auf unterschiedlichen Terrains kreative Persönlichkeit, die zweifach erleben musste, wie schwierig es war, Teil der New Yorker Szene zu werden. In Deutschland ein gefeierter Star und auf Initiative des Kritiker Papstes Leonard Feather in die USA gekommen, musste sie dort feststellen, dass hohe handwerkliche und ästhetische Fähigkeiten mit der Tatsache konfrontiert wurden, dass die Szene eine europäische Frau nicht akzeptierte. Leonard Feather, dessen Kritikerkollege Nat Hentoff und der Schlagzeuger und Bandleader Art Blakey waren drei Figuren, die tatkräftig verhinderten, dass Jutta Hipp sich langfristig durchsetzen konnte. Wir meinen, dass sowohl ihr kompositorisches Werk, wie auch ihre historische/soziologische Bedeutung gute Gründe sind, ihr eine Programmschiene unseres Projekts für ’24 zu widmen. Dabei möchten wir die Musiken der 1950er Jahre nicht 1:1 reproduzieren. Das geht schon nicht, da wir die geplante Besetzung/Instrumentierung nicht gezielt an ihren Aufnahmen orientieren. Vielmehr wird es die Aufgabe sein, Hipps Stücke in einem zeitgenössischen Format zu spielen. Die Möglichkeit/Notwendigkeit der Veränderung durch Arrangement und Instrumentalstilistik lässt sich zudem auch aus der persönlichen Entwicklung Hipps ableiten. Ihre musikalischen Wurzeln lagen noch im traditionellen Swing und es ist spannend zu hören, wie ihr Klavierstil sich gezielt dem Bebop und Cool Jazz annäherte. Diese, den Jazz grundsätzliche Bereitschaft, traditionelle Formate zu ändern, in ein Idiom der Jetztzeit zu führen, gilt uns als Legitimation, mit dem Jazzpool NRW mal einen Blick auf die Jazzgeschichte zu werfen, zumal es ein deutsch-amerikanisches und ein Thema der Gender Gerechtigkeit ist.
Ergänzt wird der bestimmende Jutta Hipp Block durch Kompositionen der Beteiligten. In ’24 möchten wir zwei Gäste aus der Schweiz einladen und mit ihnen in der BRD und auch in der Schweiz zu spielen. Wie bei allen früheren europäischen Begegnungen legen wir wert darauf, den regionalen Bezug musikalisch hörbar zu machen, eben Herkunft klingen zu lassen. Ähnlich den skandinavischen Musiker*innen, haben die Schweizer recht früh Wehe gefunden, ihr Spiel, ihre Konzepte mit tradierten Musiken zu kombinieren. Dabei gibt es Vorlagen, die als Anknüpfung ideal sind, z.B. das Spiel der Basler Trommler zur alemannischen Fastnacht. Wer über die Schweizer Szene der letzten 10/15 Jahre liest, wird immer wieder auf einen Aspekt gestoßen, der die dortige Szene vor anderen auszeichnet – die Schweizer*innen scheuen sich nicht davor, zeitgenössischer Musik eine Prise Humor hinzuzufügen. Dabei greifen sie gern auf originäres Material zurück und zeigen, dass auch derb Volksliedhaftes sich in zeitgenössischen Jazz modulieren lässt.