peripher

peripher 2025

Die Verknüpfung der NRW Szene mit anderen europäischen Jazz Zentren soll uns in 2025 an den Nordosten der europäischen Union führen, unser Partnerland soll Litauen sein, ein Land, eine Gesellschaft, die politisch, wirtschaftlich und damit natürlich auch kulturell immer wieder in existentielle Bedrängnis gekommen.

Es hat auch mit der geografischen Lage zu tun, dass Litauens wichtigster Dichter, Tomas Venclova, die „gefühlte geografische Lage“ von Vilnius als „ständige Peripherie“ bezeichnet und zu dem Schluss kommt, Vilnius sei „eine exzentrische, kapriziöse, unregelmäßige Stadt“ – eine Aufzählung, die uns auf eine musikalischen Begegnung Heißhunger macht.

Die Entwicklung des litauischen Jazz begann weit nach 1989 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion. 1940 präsentierte der staatliche Rundfunk die erste Jazzband, deren Wirken aber schon ein Jahr später mit dem deutschen Überfall beendet wurde. Nach der Befreiung durch die russische Arme sorgte die stalinistische Ideologie für ein weiteres Verhindern des Jazz. Erst Anfange der 1960er Jahre keimte im Nationalen Konservatorium eine neue, stilistisch vorwärts gerichtete Jazzszene auf. Der wichtigste Name in dieser Epoche war der Pianist Vyacheslav Ganelin, zu dessen Trio der Drummer Vladimir Tarasov und er Saxophonist Vladimir Chekasin gehörten. Hier fängt auch der Bezug zu unserem Projekt peripher an. Wir wollen den Bassisten Leonid Šinkarenko einladen – er war Schüler von Chekasin und hat mit ihm seine ersten Aufnahmen gemacht. Šinkarenko empfiehlt als zweiten Gast den Keyboarder und Saxophonisten Andrius Savchenko.

Die beiden Figuren Chekasin und Šinkarenko kommen auf den ersten Blick aus zwei völlig unterschiedlichen Richtungen. Der Ältere wir als Mitglied des vorgenannten Ganelin Trios der Avantgarde zugeordnet, der Jüngere als Vertreter von Jazzrock und Fusion ist quasi auf der entgegen gesetzten Seite des Regenbogens unterwegs. Dies sehen wir als durchaus positiven Movens und bilden für peripher ein Ensemble, in dem Vertreter:innen der aktuellen Improszene auf solche der Fusionszene treffen. Das muss nicht unvereinbar sein, wenn über ein rockiges Bass Ostinato eine dem Free Jazz zugewandte Posaune improvisiert, wird sich eine Energie ergeben, die gern an die ›exzentrische, kapriziöse Stadt‹ Vilnius erinnern darf. Wenn es besonders gut läuft, entsteht womöglich bei der Zuhörerschaft die Ahnung, dass an der Peripherie besonders bunte Blumen blühen.

Wie in den Vorjahren planen wir Konzerte in NRW, der Bundesrepublik und in Litauen.

Es spielen:

Anke Lucks (p): Zusammenarbeit mit Baby Sommer, Matthias Muche Bonecrusher. Vertonung der Ursonate von Kurt Schwitters. ihre Insomnia Brass Band wurde 2023 mit dem Deutschen Jazzpreis in der Kategorie Band des Jahres ausgezeichnet.

Wolfgang Schmidtke (sax): Zusammenarbeit mit Peter Brötzmann, Ginger Baker und Karlheinz Stockhausen. Mitarbeit bei den Musikprogrammen der Pina Bausch Tanzfestivals.

Raissa Mehner (guit): Zusammenarbeit mit The Dorf, Lariza, Salome Amend. Gastierte beim Moers Festival und im Londoner Café Otto. Stipendiatiin des Jazz Wettbewerbs ’Jazz Undesigned‘ der Dr. Carl Dörken Stiftung. 

Andrius Savchenko (p): Ist neben der Arbeit in div. Litauischen Bands auch als Theater- und Filmkomponist tätig.

Leonid Šinkarenko (b): Eine der Schlüsselfiguren des litauischen Jazz. Leitet seit 1979 eigene Bands und spielt auch im Lithuanian Jazz Trio und der Dainius Pulauskas Group. Organisiert jährlich das Nida Jazz Festival.

Peter Weiss (dr): Zusammenarbeit mit Wolfgang Engstfeld, Randy Brecker, Zbigniew Namyslowski. Organisation der Reihe ›Jazz im Hofgarten‹, langjähriger künstlerischer Leiter der Jazz Schmiede. Gründer des Jazzpool NRW.